Wann hilft Ergotherapie meinem Kind? (Teil 2/3)

Ergotherapie Wien

 

Diese Frage begegnet uns im Arbeitsalltag häufig. In drei Teilen wollen wir in einfacher Sprache erklären, wann und wobei Ergotherapie Kindern helfen kann. 

Ergotherapie unterstützt Kinder, wenn sie Schwierigkeiten bei Aktivitäten in verschiedenen Alltagsbereichen haben (z.B. Selbstversorgung, Kindergarten/Schule, Freizeit: Teil 1/3) oder einen Förderbedarf bei unterschiedlichen Fähigkeiten haben (z.B. Motorik, Wahrnehmung, Kognition: Teil 2/3). Das betrifft häufig Kinder mit bestimmten Diagnosen und Entwicklungsstörungen (Teil 3/3), aber auch Kinder ohne gravierende Erkrankungen. Grundsätzlich muss bei jedem Kind individuell im Rahmen eines ergotherapeutischen Ersttermins geschaut werden, ob und wie Ergotherapie Ihr Kind unterstützen kann.

Ergotherapie hilft bei Förderbedarf bei verschiedenen Fähigkeiten

Ergotherapie hilft, wenn ein Kind einen Förderbedarf bei bestimmten Fähigkeiten oder Fertigkeiten zeigt. Wenn gewisse Fähigkeiten nicht altersgerecht entwickelt sind, kann es zu Schwierigkeiten bei Alltagsaktivitäten kommen. 

Manchmal fällt es im Alltag nicht offensichtlich auf, dass ein Kind unterdurchschnittliche Fähigkeiten in einem Bereich hat. Jedoch treten dann in weiterer Folge Probleme in der Zukunft bei neuen, komplexeren Aktivitäten auf. 

Ein Beispiel: Ein Kindergartenkind hat eigentlich einen Förderbedarf bei der Grafomotorik (Motorik des Schreibens und Zeichnens). Jedoch fällt dies der Familie nicht auf, weil das Kind eigentlich gerne malt, auch wenn es keine kleinen, allzu genauen Zeichnungen malt. In der Volksschule steht das Kind dann beim Erlernen des Schreibens plötzlich vor viel höheren Anforderungen. Beim Schreiben der kleinen, komplexen Buchstaben hat das Kind nun große Schwierigkeiten und fühlt sich überfordert. Ein/e Ergotherapeut*in erkennt bereits im Kindergartenalter, ob ein Kind im Bereich der Schreibmotorik zusätzlich gefördert werden sollte. In der Therapie werden die Fähigkeiten individuell und gezielt trainiert, sodass es in der Zukunft zu keiner Überforderung kommt. 

 

Ergotherapie ist also sinnvoll, wenn ein Kind einen Förderbedarf bei u.a. folgenden Fähigkeiten zeigt: 

  • Motorik und Koordination 
    • Grobmotorik und Muskelspannung (wenn ein Kind Schwierigkeiten hat beim Ballspielen, Turnen oder Klettern; wenn ein Kind nicht altersentsprechend schwimmen, eislaufen, Fahrrad oder Roller fahren kann; wenn ein Kind eine geringe Körperspannung hat)
    • Koordination und Bewegungsplanung (wenn ein Kind Schwierigkeiten hat bei koordinativen Bewegungsaufgaben z.B. beim Hampelmann oder beim Überkreuzen der Mittelinie z.B. bei Handklatsch-Spielen)
    • Feinmotorik (wenn ein Kind bei feinen Bewegungen mit den Händen und Fingern ungeschickt ist; wenn es Schwierigkeiten hat bei Steckspielen, beim Essen mit Besteck, beim Schneiden mit einer Schere, beim Zumachen von Knöpfen, Drehverschlüssen, etc.)
    • Händigkeit (wenn unklar ist, ob ein Kind Rechts- oder Linkshänder ist; wenn es bei Aktivitäten die aktive Hand wechselt: Dann erfolgt eine Händigkeitsbefundung. Häufig liegt ein wechselnder Handgebrauch an einem Förderbedarf in der Feinmotorik!)
    • Grafomotorik (= Motorik des Zeichnens und Schreibens: wenn ein Kind Schwierigkeiten hat beim Zeichnen, bei der Stifthaltung, Lesbarkeit und Ausdauer beim Schreiben)

 

  • Wahrnehmung
    • Gleichgewicht und vestibuläre Wahrnehmung (wenn ein Kind Schwierigkeiten hat beim Balancieren oder einbeinigen Stehen/Hüpfen; wenn es Schaukeln, Trampolinhüpfen, Purzelbäume oder Sprünge aus der Höhe vermeidet oder dabei ängstlich ist)
    • Raumwahrnehmung, räumliches Vorstellungsvermögen und visuell-räumliche Fähigkeiten (= Wahrnehmung und Verarbeitung von raumbezogenen Informationen, z.B. Richtung, Größe, Länge und Winkel: wenn ein Kind Schwierigkeiten hat bei der Orientierung, bei Konstruktionsspielen, beim Erkennen von Formen/Buchstaben oder beim Masche Binden)
    • Tast- und Spürsinn (= Wahrnehmung und Verarbeitung von Berührungen (Oberflächensensibilität) und von eigenen Körperpositionen und -bewegungen (Tiefensensibilität): wenn ein Kind Berührungen oder bestimmte Materialien wie Sand, Matsch, Cremen oder Schaum als unangenehm empfindet, sie vermeidet oder schlecht erkennen/zuordnen kann; wenn ein Kind Schwierigkeiten hat bestimmte Körperpositionen nachzuahmen oder den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen) 

 

  • Kognition
    • Aufmerksamkeit und Konzentration (wenn sich ein Kind nicht für längere Zeit auf eine Aufgabe fokussieren kann, in der Schule nicht aufpasst, übermäßig trödelt oder verträumt ist)
    • Merkfähigkeit (wenn ein Kind häufig Anweisungen und Informationen wie etwa Hausaufgaben vergisst oder Gegenstände häufig verliert)
    • Handlungsplanung, Problemlösen und logisches Denken (wenn ein Kind Schwierigkeiten hat beim logischen Schlussfolgern oder Planen von Handlungen; wenn es einem Kind schwerfällt altersentsprechende Probleme/Aufgaben eigenständig zu lösen/durchzuführen (z.B. ein großes Spiel wieder passend in den kleinen Spielkarton einräumen), sowie Handlungsschritte einem vorgegebenen Plan entsprechend nachzumachen (z.B. Legobauen nach Plan))

 

  • Spielfähigkeit (bei Auffälligkeiten in der Spielentwicklung, d.h. wenn ein Kind seinem Alter nicht angemessen spielt (Rollenspiele, Regelspiele, etc.); wenn es einem Kind schwerfällt allein zu spielen oder es kaum eigenständig Spielideen und -handlungen erfindet; wenn ein Kind Auffälligkeiten beim Spielen mit anderen Kindern zeigt)

 

  • Soziale und emotionale Fertigkeiten (wenn ein Kind Schwierigkeiten hat bei der sozialen Interaktion und im Umgang mit Gefühlen; wenn es eine negative Selbstwahrnehmung oder eine geringe Frusttoleranz hat; wenn es einem Kind schwerfällt seine Impulse zu kontrollieren)